Am 2. Dezember 2025 erließ das Verfassungsgericht in dem unter dem Aktenzeichen P 10/16 geführten Verfahren ein für die Rechtspraxis bedeutsames Urteil zu den Grundsätzen des Schutzes des Eigentums an Grundstücken. Das Urteil erging infolge der Prüfung von Rechtsfragen zur Erlangung einer Grunddienstbarkeit durch Ersitzung, deren Inhalt einer Leitungsdienstbarkeit entspricht, durch ein Versorgungsunternehmen oder den Staatsschatz.
Die dem Verfassungsgericht vorgelegten Rechtsfragen lauteten wie folgt:
„Ist Artikel 292 in Verbindung mit Artikel 285 §§ 1 und 2 des Gesetzes vom 23. April 1964 – Bürgerliches Gesetzbuch – in der Auslegung, wonach er vor dem Inkrafttreten der Artikel 305¹–305⁴ des Bürgerlichen Gesetzbuches den Erwerb einer Grunddienstbarkeit durch Ersitzung erlaubte, deren Inhalt einer Leitungsdienstbarkeit entspricht, durch ein Versorgungsunternehmen oder den Staatsschatz, in einer Situation, in der keine Entscheidung auf der Grundlage von Artikel 35 Absatz 1 des Gesetzes vom 12. März 1958 über die Grundsätze und das Verfahren der Enteignung von Grundstücken, Artikel 70 Absatz 1 des Gesetzes vom 29. April 1985 über die Bodenwirtschaft und die Enteignung von Grundstücken oder Artikel 124 Absatz 1 des Gesetzes vom 21. August 1997 über die Immobilienwirtschaft ergangen ist, mit Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie mit Artikel 2, Artikel 21 Absätze 1 und 2, Artikel 31 Absätze 2 und 3 sowie Artikel 64 Absätze 2 und 3 der Verfassung vereinbar?“
In dem genannten Urteil beantwortete das Verfassungsgericht diese Frage verneinend. Das Gericht stellte fest, dass die Ersitzung einer Dienstbarkeit unter solchen Voraussetzungen unzulässig ist, da sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Eigentumsschutzes verstößt.
Hintergrund der vorgelegten und zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Fragen war eine gefestigte Rechtsprechungslinie, im Rahmen derer eine Grunddienstbarkeit geschaffen wurde, deren Inhalt einer Leitungsdienstbarkeit entspricht, obwohl die Leitungsdienstbarkeit selbst erst am 3. August 2008 durch das Gesetz vom 30. Mai 2008 zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und einiger anderer Gesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt wurde.
Das Verfassungsgericht stellte fest, dass die Zuerkennung einer Grunddienstbarkeit mit einem Inhalt, der über die vom Gesetzgeber streng festgelegten Voraussetzungen für das Bestehen dieser Art beschränkter dinglicher Rechte hinausgeht, gegen den fundamentalen Grundsatz des geschlossenen Katalogs beschränkter dinglicher Rechte verstößt. Diese Feststellung wirkt sich auf die Beurteilung der angefochtenen Norm in einem zweiten, verfassungsrechtlichen Aspekt aus, der den Hauptanlass des Verfahrens vor dem Gericht bildete. Weiter führte das Gericht aus, dass Vorschriften, die das Eigentum beschränken, aufgrund des Erfordernisses eines besonderen Schutzes dieses Rechts eng auszulegen sind und dass die Begründung einer Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt einer Leitungsdienstbarkeit keine gesetzliche Grundlage hat.
Infolge des Urteils wird die Ersitzung von Grundstücken unter den oben beschriebenen Umständen nicht mehr möglich sein, und in bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren wird eine Wiederaufnahme des Verfahrens möglich sein.